Norwegen Roadtrip Senja

8400 km durch den Norden – Landschaftsroute Senja und Wanderparadies

5. Station – Senjas atemberaubende Küste und ein Paradies für Wanderer

Wir stehen auf dem Parkplatz bei Hamn i Senja. Das erste Mal fühle ich mich wirklich müde. Die Fahrt vom Blåvatnet war eigentlich gar nicht so lange, aber es hat ununterbrochen geregnet. Die Tropfen auf der Scheibe, das ständige Vorbeirauschen der Wischblätter und dieses durchgängige Grau hat mich erschöpft. Deswegen haben wir uns das erste Mal während unserer Reise ein Hotelzimmer gebucht. Und auch wegen einer Dusche, bei der man nicht alle drei Minuten eine weitere 10-Kronen-Münze in den Automaten stecken muss. Sozusagen ein Tag Urlaub vom Urlaub. Das Zimmer ist völlig überteuert und kommt einer kleinen Kammer mit Fenster gleich. Aber das ist mir alles egal. Ich will einfach nur mal liegen, in einem Bett, und duschen, so lange ich möchte. Es gibt keinen Fernseher, auch das Wlan funktioniert nicht wirklich, was mich nicht weiter stört, aber als die Dusche nach zehn Miuten von angenehm warm auf gebirgsbachkalt wechselt und ich noch eingeseift darunter stehe, bin ich schon ein wenig genervt. Aber egal, ich falle in das weiche Bett und schlafe unglaubliche zehn Stunden durch.

Das Frühstück am nächsten Tag entschuldigt die unangenehmen Zimmerverhältnisse, ebenso wie die Lage des Hotels. Es hat endlich aufgehört zu regnen und die ersten blauen Stellen zeigen sich am Himmel. Ausgeschlafen, gut gefrühstückt und viel besser gelaunt starten wir Richtung Segla, unserem heutigen Ziel. Gerade unterhalten wir uns noch über die Planung der nächsten Tage, wird es schlagartig ganz still im Auto. Direkt nach einer Kurve, mitten am Abhang, steht eine Elchkuh und schaut uns ebenso verdutzt an, wie wir sie. In meinem Leben habe ich mich noch nie so lange am Stück erschrocken. Ich habe kein Wort über die Lippen bekommen und einfach nur gestarrt. Genau wie Elke. Genau wie die Elchkuh. Bevor wir so richtig realisiert haben, was passiert ist und umdrehen, ist sie natürlich schon längst verschwunden. Man vergisst immer, wie riesig so ein Elch ist. Wahnsinn.

Ein Stück entlang der Landschaftsroute zum Segla

Wir halten entlang der Landschaftsroute am Aussichtspunkt Bergsbotn. Ein verrücktes Gebilde, also eine 44m lange Plattform, ragt aus dem Berg hinaus und man hat einen wunderschönen Ausblick auf den Bergsfjord. Das Wetter kann sich noch nicht so richtig entscheiden und so wechselt es von „Oh ja, gleich kommt die Sonne raus“ zu „Oh nein, gleich fängt es an zu regnen“. Also setzen wir unseren Weg fort. Am Straßen- und Tunnelausbau erkennt man, dass der Massentourismus hier zum Glück noch nicht richtig angekommen ist. Es erinnert mich an Norwegen vor 10-15 Jahren. Und gleich ist mir die Insel noch sympathischer geworden. Wir entscheiden uns jedoch, nicht an jeder Ecke anzuhalten, sondern direkt nach Fjordgård durchzufahren, um unsere Wanderung zu starten. Die Tunnel zu dem kleinen Ort sind kaum bis gar nicht beleuchtet und einspurig mit kleinen Ausweichbuchten. Schon ein kleines Abenteuer.

Ein Stück oberhalb des „Stadtzentrums“ befindet sich der Parkplatz. Lotti kann es kaum erwarten, endlich loszurennen. Wenn sie gewusst hätte, was noch auf sie zukommt. Der Weg startet durch ein kleines Wäldchen steil, aber nur kurz den Berg hinauf. Eigentlich starten alle Wanderwege in Norwegen steil, aber hier hat man nach den ersten Höhenmetern eine kleine ebene Fläche zum Ausruhen. Bevor es wieder bergauf geht. Die Steilheit nimmt stetig zu und ab und zu muss man schon mal seine Hände benutzen, um über die Steine zu kommen. So langsam beschleicht mich ein ungutes Gefühl was Lotti betrifft. Hoffentlich bekommen wir sie hier heil wieder runter.

Der Ausblick vom Grat ist jetzt schon unbeschreiblich

Wir kommen schon ordentlich ins Schwitzen, bevor wir den Pass erreichen. Gerade mal die Hälfte an Höhenmetern geschafft, ist der Ausblick schon Wahnsinn. Von hier hat man freie Sicht auf den Gipfel und ja, es sieht verdammt steil aus. Nicht mehr weit, aber steil. Nach den ersten weiteren Schritten wird es immer steiler und das ungute Gefühl wegen Lotti verstärkt sich. Der Weg besteht es losgetretenem Moos, Steinen und Sand und je weiter ich darüber nachdenke, wie ungestüm unser Hund hier wahrscheinlich runterrennen würde, desto mulmiger wird mir. Vor allem mit dem Gedanken, sie zur Sicherung an die Leine zu nehmen. So einen steilen Weg sind wir mit Hund noch nie gelaufen. Wir legen eine Pause ein und diskutieren unsere Optionen. Aufgeben? Auf keinen Fall! Elke will zum Gipfel, ich auch. Also bleibt nur die Möglichkeit, das letzte Stück einzeln zu gehen. So weit dürfte es ja nicht mehr sein. Elke geht zu erst und ich mache es mir mit Lotti auf einem Stein gemütlich.

Der Blick ist auch von hier schon herrlich. Die Wolken verziehen sich immer mehr und bald leuchtet der Himmel in seinem schönsten Blau. Der schier endlose Grat verläuft direkt vor uns bis zum nächsten Gipfel, während er rechts zum Fjord abfällt. Ich kann mich gar nicht sattsehen. Lotti liegt neben mir und scheint die Aussicht ebenso zu genießen wie ich. Doch die Zeit vergeht und von Elke keine Spur. Der Wind, der stetig um die Ecke pfeift, kühlt mich langsam aus. Alle Klamotten, die ich im Rucksack gefunden habe, trage ich bereits. Ich überlege schon, ein Stück nach unten zu gehen, um mir eine windstillere Ecke zu suchen, aber kurze Zeit später ist sie endlich wieder bei uns. Genau gesagt, eineinhalb Stunden später. Und völlig euphorisiert. Weit soll es wirklich nicht sein, aber sehr steil. Und anstrengend. Aber es lohnt sich. Also schmeiße ich mir den Rucksack über und starte.

Anstrengender Aufstieg auf den Segla

Meine Muskeln sind ebenfalls ausgekühlt und nicht sehr erfreut über die plötzliche Anstrengung. Besonders meine rechte Wade, die noch ein wenig von unserer missglückten Flussüberquerung in den Lyngener Alpen lediert ist, macht mir das Leben schwer. Auf dem Weg zum Gipfel muss ich öfters pausieren und meine Beine wieder in eine gerade Position bringen, um Krämpfe zu vermeiden. Aber so langsam werden die Musklen wieder warm und gerade als ich denke, jetzt läufts, geht es vor mir plötzlich senkrecht nach unten. Der Gipfel kam dann doch schneller als erwartet. Ich klettere noch über ein paar Felsen, bis ich das Gipfelschild sehen kann. Und drehe mich um.

Endlich am Gipfel und ein 360 Grad Blick zum Verlieben

Dieser Rundumblick ist einfach nur atemberaubend. Tiefblaues Wasser vom Fjord zum Meer, majestätische Berge wohin das Auge blickt, kein Wölkchen am Himmel – ich bin sofort gefesselt. Definitiv eine Aussicht für die Best-of-Liste. Und dazu noch dieses Gefühl, dass ein paar Meter entfernt der Berg in einer geraden Kante 639 Meter senkrecht in den Fjord abfällt. Ich kann die Euphorie von Elke bestens nachempfinden. Ein holländisches Paar, was mit mir als Einziges mit am Gipfel steht, macht noch ein Foto von mir. Ich trinke etwas und mache mich dann doch schnellstmöglich zum Abstieg bereit. Ich will Elke nicht so lange frieren lassen. Der Weg nach unten ist ebenso anstrengend. Ich muss mich die ganze Zeit konzentrieren, wo ich hintrete. Viel loses Geröll könnte einen schnell ins Rutschen bringen. Aber bald habe ich den unteren Teil des Grates erreicht.

Wir laufen ihn noch ein paar Meter in die andere Richtung, um einen besseren Blick auf den Gipfel zu haben. Und dabei denken wir die ganze Zeit, was für ein Wahnsinn. Es ist spät geworden und wir treten den Rückweg zum Auto an. Zurück durch die gruseligen Tunnel geht es weiter nach Ersfjord zum Strand. Dort grillen wir und genießen die Sonne, die eingerahmt von der Bergkette und dem Fjord ihre Bahn zieht. Noch immer bekommen wir das Lächeln nicht aus dem Gesicht. Zur Mitternachtssonne spazieren wir noch ein Stück am Strand entlang. Lautes Getöse schreckt uns auf. Eine Steinlawine donnert den Berg hinab, aber wir sind glücklicherweise weit genug entfernt und so widmen wir uns wieder der hinter den Bergen verschwindenden Sonne. Was für ein Tag.

Landschaftroute Senja im Regen

Am nächsten Morgen frühstücken wir mit Blick auf den Ersfjord. Noch sieht es freundlich aus, aber die Wetterprognose verheißt nichts Gutes. Es wird nass! Und zwar richtig! Gerade als wir alles verstaut haben, beginnt es zu regnen. Wir wollen heute die Landschaftsroute abfahren. Also geht es zunächst in einem Ruck bis nach Botnhamn, wo die Fähre von Brensholmen ankommt. Hier startet die Landschaftsroute 102 Kilometer entlang der Küste Senjas bis nach Gryllefjord. Ich gebe zu, wir sind ein wenig traurig über den Dauerregen. Gerade Sonne und das damit verbundene karibisch türkise Wasser sollen den Reiz dieser Strecke ausmachen. Aber nützt alles nichts, wir machen uns auf den Weg nach Husøy. Zwischendurch halten wir an einem Haus, wo es Trockenfisch geben soll. Elke möchte gerne welchen kaufen und kommt nach einiger Zeit mit einem riesigen Fisch zurück zum Auto. Unverpackt. Für den Rest unserer Reise werden wir den Geruch von Fisch also nie vergessen.

Der Blick auf die kleine Insel Husøy, die mitten im Fjord liegt, ist herrlich. Sogar Grau in Grau. Doch im Ort selbst veranlasst uns nichts, den Wagen im strömenden Regen zu verlassen. Wir fahren weiter. Der Regen prasselt unvermindert auf das Auto und die geliebten Wischblätter ziehen unaufhörlich ihre Bahnen. Am nächsten Aussichtspunkt, dem Rastplatz Tungeneset, lässt der Regen kurz etwas nach. Eine Art hölzerner Übergang leitet uns zum Wasser. Vor uns thront das Gebirgsmassiv Oksen. Wir beobachten die Wellen, die in voller Kraft gegen die Klippen prallen. Irgendwie zieht uns dieser Anblick schnell in seinen Bann. Und wir nutzen die kurze Regenpause, um zu genießen. Die klare Luft, das Rauschen der Wellen und dieser Ausblick lässt uns den Regen schnell vergessen. Auch wenn er gefühlte zwei Minuten später wieder beginnt.

Versteckte Schönheiten finden sich auch abseits der Landschaftsroute

Wir fahren etwas abseits der Landschaftsroute weiter nach Skjåholmen. Hier haben sich Künstler ein kleines Paradies geschaffen und angrenzend gibt es einen tollen Sandstrand. Selbst ohne Sonnenlicht leuchtet das Wasser in einem unglaublichen Türkis. Und Lotti freut sich über eine kleine Tobeeinheit. Weiter entlang der Landschatsroute sind wir trotz des grauen Wetters erstaunt über die Farben. Vor allem das Wasser hat an einigen Stellen diese intensive, grün-blaue Farbe, was in Anbetracht der Wetterlage erstaunlich ist. Aber so wirklich Lust auf rausgehen bekommen wir trotzdem nicht. Mittlerweile hat der Himmel seine Pforten komplett geöffnet, es regnet nicht mehr, es schüttet. Und so haben wir Gryllefjord mit ein paar kurzen Stopps recht schnell erreicht.

Eigentlich wollten wir noch eine Nacht auf Senja verbringen, aber die nächsten Tage sieht die Wettervorhersage nicht anders aus. Also entscheiden wir uns, den Weg zu den Lofoten anzutreten, wo das Wetter etwas besser sein soll. Aber eines ist klar, ich will auf jeden Fall zurück nach Senja! Das nächste Mal länger. Eine, am Besten zwei Wochen. Denn dieses Paradies muss noch viel mehr erkundschaftet werden. Hier gibt es so viele Möglichkeiten, zu wandern, die Natur zu entdecken, baden zu gehen (wenn man sich traut) und einfach nur zu staunen. Ich komme wieder! Keine Frage!

Hier gehts weiter: Zwischen Wohnmobilen und unbändiger Natur auf den Lofoten

Hier gehts zu unserer letzten Station: Eine Wanderung zum Blåvatnet

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