Blavatnet Norwegen Roadtrip

8400 km durch den Norden – Eine Wanderung zum Blåvatnet

4. Station  – Wanderung zum Blåvatnet in den Lyngenalpen

Der Fahrtwind der Fähre weht mir um die Nase. Gerade setzen wir von Olderdalen nach Lyngseidet über. Ich beobachte die dicken Wolken, die wie eine Walze langsam vor uns herziehen, während es unaufhörlich auf meine Kapuze trommelt. Auf unserer zweitägigen Fahrt in die Lyngenalpen hat sich die Sonne wohl dafür entschieden, in Hammerfest zu bleiben. Obwohl eigentlich Sonne pur angesagt war. Stattdessen regnet es aus vollen Kübeln. In der Nähe von Tromsø haben wir nur einen Tag geplant. Es soll zum Blåvatnet gehen.

Das letzte Stück zum Parkplatz Sørlenangsbotn fahren wir in etwa 40 Minuten. Als wir ankommen, liegen die Wolken so tief, dass man nicht mal mehr den Fjord sehen kann. Die Wetter-App jedoch sagt, dass es in zwei Stunden aufhören und dann tatsächlich die Sonne rauskommen soll. Da für den morgigen Tag schon wieder Regen angesagt ist, entscheiden wir uns für eine späte Wanderung. Hoffentlich bei Sonnenschein.

Die Wanderung können wir am späten Nachmittag starten

Gegen 17 Uhr lässt der Regen wirklich nach und wir nutzen die Chance zum Kochen. Mittlerweile kann man sogar den Fjord erkennen. Es klart auf und nachdem wir fertig mit dem Essen sind, lugt tatsächlich die Sonne hervor. Schnell packen wir alles Wichtige zusammen und starten gegen 19 Uhr die 4,2 Kilometer zum Blåvatnet.

Es dauert nicht lange und wir sind so euphorisiert von dieser Landschaft. Immer wieder fühle ich mich wie mitten in einem Foto eines Kataloges für Alaskareisen. Ein tiefblauer Fluss schlängelt sich durch den Nadelwald und hier und da verwandelt sich das Flussbett in eine Ansammlung runder Steine. Über ihnen thront ein gewaltiges Bergmassiv, auf dessen Spitzen noch recht viel Schnee liegt. Schön-Wetter-Wolken vor azurblauem Himmel runden das gesamte Bild zu einem perfekten Anblick ab. Immer wieder bleiben wir stehen, fotografieren und saugen die Stimmung in uns auf. Bald verwandelt sich der Waldboden unter unseren Füßen in einen Kies- und Steinweg. Nachdem wir den Fluss zwei Mal überquert haben, geht es langsam, aber stetig nach oben. Der Anstieg ist für norwegische Verhältnisse kaum erwähnenswert. Und so geht es gefühlte drei Kilometer nur geradeaus, über kleine Kiesel und mittelgroße Steine. Lotti schaut schon etwas genervt zu uns rüber, dass wir schon wieder über diese großen, harten Dinger laufen müssen.

Wir fühlen uns wie mitten im Katalogfoto für Alaskareisen

Immer mehr Wolken verdecken den blau strahlenden Himmel und ich ärgere mich kurz darüber, dass wir uns unten zu lange Zeit gelassen haben. Wir werden den See, dessen Farbe ihm den Namen gibt, wohl nicht in seinem schönsten Blau zu Gesicht bekommen. Ich lege einen Schritt zu, um ihn vielleicht doch noch im Sonnenlicht sehen zu können. Ein riesiges Geröllfeld liegt noch vor uns und dahinter müsste er kommen. Allerdings ist es mit Lotti nicht so einfach, die scharfkantigen Felsen schnell zu überwinden. Also akzeptiere ich, dass wir den Blåvatnet nun doch nur bei Bewölkung sehen werden und konzentriere mich lieber darauf, Lotti über die großen Bruchstücke zu lotsen. Denn auch der Weg ist das Ziel.

Nach insgesamt zwei Stunden sind wir da. Die Wolken haben es sich anders überlegt und sind dabei, die Sonne freizugeben. Schon jetzt leuchtet der See in einem tiefen Blau. Wir laufen ein Stück um ihn herum, um das Panorama der Bergkette dahinter noch besser sehen zu können. Das Wasser ist so klar, dass man selbst zur Mitte hin noch auf den Grund schauen kann. Wenn ich nicht wüsste, wie kalt dieses Gletscherwasser ist, würde ich direkt reinspringen. Etwas wärmere Außentemperatur hätten sicherlich dazu beigetragen. Aber so bleibt es nur bei einer Zehenspitze, die direkt wieder in den warmen Socken will.

Der See verzückt uns mit seinem klaren, blauen Wasser

Mit der warmen Sonne im Rücken und einem unvergesslichen Anblick auf den See und den über ihn ragenden Bergen genießen wir unser mitgebrachtes Bier. Elke zeichnet und Lotti kämpft mit ihrer Müdigkeit nach der Anstrengung. Ich versuche noch ein Stück um den See zu laufen, aber irgendwann verwandelt er sich in einen reißenden Fluss, der eine Überquerung eher gefährlich macht. Mittendrin bemerke ich, dass Lotti mir nachgerannt kommt und gerade als ich Stopp rufen will, rutscht sie mit den Hinterpfoten von einem im Fluss liegenden Stein ab und schlittert halb ins Wasser. Erschrocken hechte ich nach vorne und für einen Moment sieht sie wirklich etwas panisch aus, so festgekrallt mit ihren zwei Vorderläufen bleibt sie ganz still und schaut mich ängstlich an. Noch einen Sprung zum nächsten Stein und ich kann sie endlich aus dem Wasser ziehen. Noch während ich sie bequatsche, schüttelt sie sich einmal und ist freudig erregt. Als würde sie sagen „Boah, hast du das gesehen?! Voll krass! Fast wäre ich reingefallen und die Strömung hätte mich weggetragen. Zum Glück warst du da.“ Ach Hund!

GPS-Hund Lotti führt uns zurück

So langsam treten wir den Rückweg an. Der Sonne entgegen. Die Lichtstimmung fasziniert uns, obwohl wir nicht wirklich erkennen können, wo es langgeht. Lotti erweist sich jedoch als der perfekte GPS-Hund. Sie läuft die ganze Zeit direkt vor uns und findet zu unserem Erstaunen den richtigen Weg. Das merken wir daran, weil wir stets bei den richtigen Steinhaufen ankommen, die rot markiert sind. Dabei dreht sie sich immer wieder zu uns um, wartend, wo wir denn bleiben. Einmal erschreckt sie uns jedoch. Plötzlich bleibt sie stehen, die Ohren fliegen nach hinten und die Rute versteckt sich zwischen den Beinen. Oh je, uns wird doch jetzt nicht noch ein Elch über den Weg laufen?! Im Gegenlicht der Sonne können wir nichts erkennen, weder gruselige Schatten noch sich bewegende Dinge. Also nehmen wir sie an die Leine, bis der Spuk vorbei ist. Wer weiß, was sie gerochen hat.

Wir können uns an der herrlichen Gegend nicht sattsehen. Die Mitternachtssonne steht an ihrem tiefsten Punkt und zaubert uns ein unvergessliches Licht in die Landschaft. Über dem Fjord liegt ein sanfter Nebel und die Sonnenstrahlen durchbrechen den kleinen Wald, durch den wir laufen. Alles ist in ein warmes Orange getränkt. Der Fluss, der links von uns fließt, sprudelt weiß schäumend vor sich hin. So richtig haben wir gar nicht mitbekommen, dass er sehr viel mehr Wasser führt, als bei unserem Hinweg. Das bemerken wir erst, als wir wieder vor der Flussüberquerung stehen und uns fragen, ob wir da vorhin auch rübergelaufen sind. Die Steine, die uns auf dem Hinweg als Übergang dienten, sind überspült. Ich schaue nach links und rechts, doch nirgends kann man den Fluss einfacher überqueren als hier an dieser Stelle.

Wenn man sich fühlt wie Hulk

Also beginne ich, Steine vom Rand in die Mitte des Flusses zu werfen, um einen neuen Übergang zu bauen. Die Steine werden größer und schwerer und scheinbar fühle ich mich für einen Moment wie Hulk. Dass ich allerdings nicht Hulk bin, wird mir bewusst, als ich versuche, einen riesigen Stein nach vorne zu schmeißen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon, wie ich kopfüber in den Fluss fallen werde, weil dieser Brocken einfach viel zu schwer für mich ist. Ich lasse los, stolpere nach vorne, versuche noch, meinen Stand auf ein paar kleinen Steinchen zu festigen, aber rutsche dennoch ab und lande mit beiden Füßen im Wasser. Im Hintergrund durchdringt mich Elkes Schrei „Steffiiiiii“ wie einen Hall. Es klang fast ein wenig panisch, dabei bin ich doch auf meinen Füßen gelandet. Zwar mit etwas mehr Wasser als gewollt, aber nicht komplett nass. Wir nutzen den erhöhten Adrenalinspiegel und laufen über die Steine und durch das Wasser, um den Fluss endlich hinter uns zu lassen. Hätte ich gewusst, dass es auch so geht, hätte ich mir die Mühe erspart.

Kurze Zeit später sind wir auch schon wieder am Auto. Bei einem Bier genießen wir noch die Mitternachtssonne und lassen die Wanderung Revue passieren. Das war bisher die beste Entscheidung – eine Wanderung zum Blåvatnet am Abend. Dass wir dabei auch noch so viel Glück hatten und uns die Sonne mit diesem Licht fasziniert hat, hat den Tag perfekt gemacht. Und so starten wir am nächsten Morgen voll euphorisiert zu meinem erwartungsvollsten Ziel – es geht nach Senja.

Die 3. Station könnt ihr hier nachlesen: Die Mitternachtssonne bei Hammerfest

 

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