Die Sonne strahlt hoch am Himmel. Ein paar Wolkenfelder durchziehen das tiefe Blau und werfen ihre Schatten auf den türkisen Fjord. Weit entfernt hört man ein paar Möwen schreien. Von hier oben hat man den perfekten Blick. Bis zum Horizont nur schneebedeckte Berge und dazwischen der Fjord, der sich endlos durch die Täler schlängelt. Ich nehme einen tiefen Atemzug und genieße die frische Luft. Einfach nur wunderschön hier oben!
Unsere Wanderung startet vom Parkplatz aus linkerhand in den Wald. Serpentinen führen den steilen Weg nach oben. Heute meint es das Wetter wieder sehr gut mit uns. Nachdem wir die Baumgrenze hinter uns gelassen haben, knallt die Sonne uns unbarmherzig ins Gesicht. Die Wärme und die Anstrengung führen zu unkontrollierten Schweißausbrüchen und unbändigem Durst. Umso schöner ist es, als wir die Svarthiller erreichen – ein altes verfallens Holzhaus, welches die Schafe mittlerweile in ihren Besitz genommen haben. Alleine der Ausblick ist die Mühe schon Wert. Ein kleiner Vorgeschmack dessen, was noch folgen sollte.
Von hier aus führt ein recht steiler Weg den Berg hinauf, welcher jedoch nicht so steil bleibt. Zum Glück. Ab jetzt passiert das, was beim Bergwandern öfter vorkommt. „Da, das Ende! Ich kann es sehen!“ Bis man über den Hügel ist und die nächste Erhöhung in Sichtweite kommt. Ich weiß ja nicht, wie es euch dabei geht. Aber ich finde es deprimierend. Manchmal. Ein wenig. Doch nachdem dies vier, fünf Mal passiert, ist er endlich da. Der Gipfel. 1116m über dem Meeresspiegel. Erstaunt stehe ich vor dem Gipfelkreuz und frage mich, wo denn nun die Aussicht ist?
Moosbewachsene Felsen erstrecken sich über das ganze Plateau, in der Mitte hat sich ein kleiner See gebildet. Bis alle anderen ankommen, trage ich uns schon mal ins Gipfelbuch ein. Und dann das, worauf ich nie verzichten möchte – Leberwurststulle! Nach unserer Stärkung erkunden wir endlich die Gegend und je näher man an das andere Ende des Plateaus gelangt, desto mehr gibt der Gipfel von seiner herrlichen Lage preis. Die bewaldeten, hohen Berge reflektieren das Sonnenlicht in einem tiefen Türkiston auf den Fjord. Er strahlt so schön, dass man seinen Blick gar nicht abwenden kann. Noch stehen wir etwa 100 m vom Abgrund entfernt, was unseren Blick noch dämpft. Also beschließen wir, uns über die Schneefelder bis ganz vor durchzuschlagen. Pfff, ein paar Schneefelder…
Von einem Hügel klettere ich weiter runter, in der einen Hand ein Wechselobjektiv, in der anderen die umgehängte Kamera. Vorsichtig setze ich meinen Fuß auf den grauen Schnee und wackel etwas hin und her, um zu sehen, wie fest er ist. Alles bestens. Frohen Mutes laufe ich los und bereits der zweite Schritt lässt mich bis zum Allerwertesten einsinken. Mein erster Gedanke-Hände hoch, wichtige Ware darin! Mein zweiter Gedanke- soll ich Hilfe rufen? Immerhin steckt mein rechtes Bein der Länge nach im Schnee und ich kann noch immer keinen Boden spüren. Das linke Bein halte ich angewinkelt zur Seite und meine Arme strecke ich in den Himmel. „Nein, lieber nicht Hilfe rufen. Sie stehen ja nur den Hügel über mir. Und werden mich schon suchen, sollte es etwas länger dauern!“ Währendessen denke ich darüber nach, wie ich mich aus dieser misslichen Lage befreien kann. „Platt machen, Steffi. Wie bei gebrochenem Eis. Oberkörper nach vorne und dann wie eine Schildkröte aus dem Schnee robben.“ Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, sah es höchstwahrscheinlich wahnsinnig witzig aus, wie ich mich versuchte aus dem Schnee zu befreien. Aber es hat geklappt.
Die Familie steht noch immer oben auf dem Hügel und hat nichts mitbekommen. Nachdem ich aufgeregt mein Ungeschick erzähle, beschließt Micha die arme Susann vorzuschicken. Ein echter Gentleman eben. Irgendwann finden wir tatsächlich einen Weg durch den Schnee, ohne Gliedmaßen zu verlieren, und können völlig unbeschwert die Aussicht genießen.
Die Aussicht vom Molden auf den Sognefjord ist einfach unbeschreiblich
Man kann ewig viel Zeit hier oben verbringen – plant das am Besten mit ein. Hinter jeder Ecke versteckt sich ein neuer Blick auf den Fjord, den es zu entdecken gilt und von dem man sich nicht trennen möchte. Am Ende waren wir für die etwa 8 km Wanderung sechs Stunden unterwegs, wobei wir zwei davon am Gipfel verbracht haben. Dieser Ausblick ist jede Sekunde wert und ich werde mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht das letzte Mal da gewesen sein.
Keine Kommentare