Moskenes – Fredvang – Ryten
Tag 02
Müde und mit verquollenem Gesicht schaue ich auf die Uhr. Es ist früh. Viel zu früh. Die Nacht war wahnsinnig kalt und erinnert uns daran, dass man oberhalb des Polarkreises auch im Sommer mit kalten Temperaturen rechnen muss.
Ein schöner warmer Kaffee und Brot mit Karamellkäse und die Welt sieht schon wieder fröhlicher aus. Heute geht es nun wirklich los. Mit zunächst 18kg auf dem Rücken ins Abenteuer. Elkes Eltern starten früh mit der Fähre zurück aufs Festland und wir nehmen den Bus zu unserem Ausgangspunkt Fredvang.
An der Busstation lernen wir eine deutsche Alleinwanderin kennen. Sie wirkt ein wenig in sich gekehrt und hat anscheinend nicht so wirklich Lust, mit uns zu kommunizieren, also lassen wir sie nach kurzer Zeit mit ihren Gedanken alleine. Trotzdem, mein Respekt für alle, die alleine die Welt erkunden! Der Busfahrer ist für norwegische Verhältnisse sehr in „hurry“ und so schmeißen wir unsere Rucksäcke in den Laderaum und setzen uns.
Manchmal denke ich, während die Landschaft vorbeizieht, dass wir stehen und die Welt sich immer schneller dreht. Viel zu schnell, um jede Kleinigkeit wahrnehmen zu können. Und so sehe ich, mein Blick aufs Wasser gerichtet, weit entfernt etwas aus dem Wasser tauchen. Als hätte ich es schon tausendmal gesehen, weiß ich es dieses Mal sofort. Es sind Orcas. Ich knipse schnell zwei, drei Fotos und zoome sie auf der Kamera heran. Einmalig, diese schwarzen spitzen Finnen. Vier Stück sind es. Als ich Elke das Bild zeige, schaut sie ganz erstaunt aufs Meer. Unglaublich, denke ich, da siehst du das erste Mal in deinem Leben Schwertwale und sitzt in einem verdammten Bus fest. Ich bin fasziniert und verärgert zugleich, aber ich muss die Situation hinnehmen. Anscheinend hat niemand sonst im Bus die kleine vorbeiziehende Orcafamilie entdeckt. Wo haben sie nur alle ihre Augen?!
Der Busfahrer lässt uns an der Kreuzung nach Fredvang raus, von wo aus wir noch etwa 5km bis zum Campingplatz laufen müssen. Über mehrere Brücken und als erster Vorgeschmack dessen, wie es sich mit einem so schweren Rucksack laufen lässt, schleppen wir uns bis zum Ortseingangsschild. Pause. Erholen. Durchatmen.
Ein Stück weiter liegt der Campingplatz direkt in der Bucht. Er hat wohl gerade erst, es ist Mitte Juni, seine Pforten geöffnet, denn mehr als ein Campingwagen steht hier nicht. Wir haben also freie Platzwahl und stellen unser Zelt direkt vor der Düne auf, um ein wenig vor dem Wind geschützt zu sein, der noch immer eisig vom Atlantik herüberzieht. Direkt hinter den Dünen breitet sich ein langer weißer Sandstrand aus, gefolgt von türkisem, klarem Wasser. Und am Horizont können wir blauen Himmel entdecken. Es sieht fast so aus, als hätte jemand einen geraden Schnitt durch die Wolkendecke gezogen. Und der blaue Streifen wird größer. Nicht mehr lange und wir werden unsere blassen Gesichter in der Sonne bräunen können.
Alles verstaut und nur das Nötigste eingepackt, starten wir unsere Wanderung auf den Ryten.
Es geht vorbei an grünen Feldern und Wiesen, die trotz des grauen Wetters richtig saftig aussehen. Ein schmaler Pfad führt uns im Zick-Zack den Berg hinauf. Hinter jedem Hügel können wir eine neue Aussicht genießen, während ein Seeadler über unseren Köpfen schwebt. Was er sich wohl denkt? Zwei kleine Punkte, die den Berg hinauflaufen, mal hier und dort stoppen, während sich vor ihnen die schier endlose Landschaft ausbreitet, von deren Ausmaß sie keine Ahnung haben. Ja ja, die zwei kleinen Punkte dort unten. Er wird sein Geheimnis wohl für sich bewahren.
Am Gipfel angekommen, kann man die Kvalvika in ihrer vollen Pracht bewundern. Eine Doppelbucht, wie gemalt mit ihrem türkisblauen Wasser, liegt sie inmitten der aufgetürmten Berge, welche sie wie ein Rahmen umgeben. Dies soll morgen unser Ziel sein. Barfuss durch den weißen Sand rennen. Die Wellen beobachten, wie sie sich kriechend an Land mühen. Muscheln und Steine sammeln. Einfach mal herunterfahren.
Am Horizont sieht man noch immer den blauen Streifen, der zwar größer wird, aber gefühlt nicht merklich näher kommt. Der Atlantik bläst den frostigen Wind herüber, der wie kleine Nadeln auf das Gesicht prasselt und einem das Atmen erschwert. Trotz der Aussicht halten wir uns deswegen nicht sehr lange am Gipfel auf . Mittlerweile ist es auch schon recht spät.
Zurück am Campingplatz, gibt es erstmal Kartoffelbrei mit ost pølse – Käsewiener und eine heiße Dusche. Genau null Uhr lässt sich die Sonne dann doch noch blicken und wir können den Tag entspannt am Strand im Schein der Mitternachtssonne ausklingen lassen. Mit ein wenig wärmenden Strahlen kommen einen die angezeigten 8 Grad auch nicht mehr ganz so kalt vor. In der Nacht im Schlafsack schleicht sich die Kälte jedoch zurück.
Am dritten Tag laufen wir zur Kvalvika, die uns einiges abverlangt. Lest hier weiter.
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