6. Station – Teil 2 – Von Schmiedekunst zwischen Touristen, dem Wandern in steilen Bergen und dem bimmelnden Eismann
Am Morgen prasselt noch immer leichter Niesel auf das Autodach. Heute soll es den ganzen Tag regnen, was jedoch keines Falls schlimm für uns ist. Ich wische das Kondenswasser von der Heckscheibe und riskiere einen Blick nach draußen. Stiller Nebel hüllt den Fjord in Schweigen. Jetzt, ohne Menschen und Ablenkung, zeigt die Landschaft der Lofoten ihr schönste Seite. Ich versuche, nicht an gestern zu denken, sondern nach vorne zu blicken. Immerhin haben wir noch zwei weitere Tage hier angedacht. So einen richtigen Plan für einen Regentag haben wir noch nicht, also beschließen wir, uns heute einfach mal treiben zu lassen.
Alte Erinnerungen am Nusfjord
Nach einem ausgedehnten Frühstück starten wir Richtung Nusfjord. Auf der kleinen Straße begegnen wir zwei Unfallwagen, außer einem Schreck und Blechschäden ist zum Glück jedoch nichts weiter passiert. Auf dem Parkplatz ist wieder Tetris angesagt, aber wir bekommen noch einen der letzten freien Stellen und trauen uns raus in den Regen. Vor etwa sieben Jahren waren wir schon einmal hier. Damals haben wir auf einem Schiff gearbeitet und ein ansässiger Guide hat uns seinen VW-Bus gegen Spritgeld überlassen. Unser Weg führte uns zum Nusfjord, wo wir uns neben freiem Eintritt die Bäuche im Restaurant vollgeschlagen haben. Ein kleines Bier, acht Euro – egal!
Wir schlendern ein wenig herum und schwelgen in Erinerung an diesen tollen Tag. Kein Crew-Essen, sondern ein typisch norwegisches Buffet! Sehr lecker! Und irgendwie bekommen wir, bei dem Gedanken daran, auch schon wieder Hunger. Also beschließen wir uns einen ruhigen Ort zu suchen, um zu kochen. Die Suche dauert etwa zwei Stunden… Aber dafür ist das kleine Fleckchen Erde in der Nähe von Leknes wirklich schön. Auch wenn etwa 30 Meter hinter uns bereits wieder Häuser anfangen. Nette Aussicht, wenn man hier wohnt!
Endlich kochen – oder auch nicht
Ich baue alles für die Zubereitung unseres Mahls auf. Und gerade, als ich schön am Kochen bin, macht der Kocher ein eigenartiges Geräusch und Plopp, schießt eine riesige Stichflamme heraus. Elke rennt aus Angst zehn Meter zurück, während ich versuche, die Gaszufuhr abzudrehen ohne mich zu verbrennen. Was für ein Schreck. Hab ich den Kocher nicht richtig auf die Kartusche gedreht? Noch immer höre ich das Zischen des entweichenden Gases und egal, wie fest ich ihn drehe, es funktioniert nicht. Er ist kaputt. Großartig. Passend dazu ertönt im Hintergrund diese eigenartige Musik, die immer näher kommt. Als würde gleich ein Clown um die Ecke springen und uns auslachen. Und tatsächlich biegt bald ein Wagen um die Ecke. „Ich werd bekloppt! Der Eismann!“, ruft Elke und fängt an zu lachen. Zumindest eine Mahlzeit ist gesichert.
Schnell stellen wir fest, dass der Abdichtungsring des Kochers porös ist, also machen wir uns auf den Weg nach Leknes, um einen Neuen zu besorgen. Und werden zum Glück auch recht schnell fündig. Wir fahren wieder weiter Richtung Moskenesøya und halten noch beim Fischereimuseum und dem berühmten Schmied in Sund. Als wir ankommen, verlassen gerade zwei Busse den Parkplatz. Es ist richtig schön leer. Noch. Wir schaffen gerade mal zwei Häuser, da kommen die nächsten Busse an. Vier. Wir verziehen uns in das angrenzende Café, wo die Busfahrer sich einen Kaffee gönnen. Für uns gibt es Waffeln! Durch das Fenster beobachten wir das wilde Durcheinander, worauf wir so gar keine Lust haben. Also warten wir bis es sich langsam lichtet und begeben uns zum Schmied.
Beim Schmied im Fischereimuseum in Sund
Es riecht angenehm rauchig. Laute Hammerschläge durchbohren die Stille, während das Feuer leise vor sich hinknistert. Eine Menschentraube steht um den Feuerkessel und der Schmied zieht seine Show ab. Hallende Musik während der Pause, in der das Eisen im Feuer liegt. Kleine Anekdoten, während er seine Schmiedekunst vorführt. Dass das alles für ihn nur eine Show ist, zeigt sich, als die letzten Busse abfahren. Er wirkt müde. Sein Kumpel, der in der hinteren Ecke wartet, hat einen Auftrag für ihn. Er benötigt eine Schiffsglocke. Und während sich der Schmied der neuen Aufgabe annimmt, erzählt er von den tausenden Touristen, die hier jeden Tag ein- und ausgehen, von seiner Show, um alle zu belustigen. Natürlich ist er froh darüber, immerhin verdient er damit sein Geld. Aber genauso freut er sich darüber, wenn der Sommer vorbei ist.
Wir fahren weiter nach Reine. Dort gibt es einen Burger, denn auf Kochen haben wir heute keine Lust mehr. Und da es hier mit einsamen Stellplätzen eh nicht wirklich etwas wird, suchen wir uns einen Campingplatz. In Å werden wir fündig und ergattern den letzten Platz direkt neben dem Müllcontainer. Herrlich! Irgendwie passt es zu dem Tag. Wir wirken anscheinend so geplättet, dass uns ein Paar, welches sich eine Hütte gemietet hat, zu sich auf die Terrasse einlädt. Also gibt es Bierchen und unterhaltsame Gespräche mit einem doch noch schönen Ausblick.
Am nächsten Morgen endlich wieder Sonne und eine Wanderung auf den Veinestinden
Über die Nacht hat sich der Regen tatsächlich verzogen und die Sonne blickt endlich mal wieder hervor. Heute wollen wir auf den Veinestinden wandern. Quasi das unbekannte Gegenstück zum Reinbringen. Wir parken am Djupfjorden, von wo aus auch die Wanderung zur Munkebu startet. Die Wanderung beginnt recht anpruchsvoll. Weniger wegen der Steilheit, sondern eher wegen diesem unheimlich kleinen, steinigen, rutschigen Pfad entlang des Djupfjord. Eine gefühlte Ewigkeit benötigen wir, um sicher und mit Hund an das andere Ende zu gelangen. Ausgeschildert ist hier leider gar nichts, deswegen folgen wir ausgetretenen Pfaden in die Richtung, in die der Gipfel liegen soll. Eine grobe Wanderroute haben wir zum Glück im Kopf. Es geht wirklich sehr steil zunächst über große, unwegsame und natürlich moosbewachsene Steine bis über einfach nur noch Moos. Selbst Lotti schmeißt sich bei jeder kurzen Pause sofort auf den Boden.
So sicher sind wir uns schon längst nicht mehr, ob das hier wirklich der Weg sein soll. Wir hangeln uns hechelnd über steil abfallende Felsen und durch das immer höher werdende Gras dem ersten Pass entgegen. Wenn wir bis dahin dachten, es war steil auf unseren bisherigen Wanderungen, falsch gedacht. Als wir den ersten Pass erreichen, triefen wir nur so vor uns hin. Aber wir sind am oberen See, so wie es in der Wegbeschreibung steht. Jetzt müssen wir nur noch über den beginnenden Wasserfall und dann nochmal dieselbe Strecke so steil nach oben. Ein Klacks! Wäre da nur nicht Lottis Wasserangst.
Lotti und die Angst vor dem Wasser
Bisher hat sie alles super gemeistert, was mit Wasser zu tun hatte, aber hier scheint es genug für unsere Hundedame zu sein. Vom See aus führt ein kleiner Fluss über die Steine, der nach etwa vier Meter in einen Wasserfall übergeht. Und dieser macht natürlich Krach. Besonders breit ist der Übergang über das Wasser nicht. Drei Schritte und man ist auf der anderen Seite. Doch Lotti bleibt stur stehen. Ich ziehe an der Leine, Elke schiebt von hinten, aber die Panik ist so groß, dass sie sich aus ihrem Geschirr befreit und zurückhechtet. Ich überlege, sie einfach rüberzutragen, aber bei den kleinen Steinen reicht ein falscher Schritt. Wahrscheinlich war es einfach zu viel für sie, die Anstrengung, die Wärme und dann noch dieses tosende Wasser. Wir beschließen, es nicht nochmal zu probieren. Abwechselnd laufen wir trotzdem noch einmal weiter vor, um zumindest freien Blick auf den Djupfjord zu haben.
Die Farben leuchten so wahnsinnig kräftig. Von Grün bis Türkis zu Blau. Einfach wunderschön. Auch wenn wir ein wenig wehmütig sind, dass uns der Blick auf Reine heute verwehrt wird. Aber wenn Hund nicht mehr möchte, wollen wir sie auch nicht zwingen. Was, wie sich später herausstellt, wohl auch gut so war. Wir treten den Rückweg an und halten hier und dort nochmal, um den Blick zu genießen. Während der Wanderung sind wir übrigens keinem Menschen begegnet, obwohl beim Start der Parkplatz voll war. Und als wir wieder zurück sind, ziehen tiefe Wolken auf. Der Pass zum Veinestinden befindet sich in tiefem Nebel. Das wäre eine tolle Überraschung gewesen. Eine mega anstrengende Wanderung zum Gipfel, um dann erneut im Nebel zu stehen. Lotti, alles richtig gemacht.
Zwischen gegrillten Krabbenbeinen und Aussicht auf den Vestfjord
Wir fahren noch ins Sjømat nach Sakrisøy, damit sich Elke frischen Fisch und Krabbenbeine kaufen kann. Da es morgen zurück auf das Festland geht, nächtigen wir auf dem Campingplatz in Moskenes. Dieser ist uns schon vertraut, auch wenn er sich in den fünf Jahren ganz schön gewandelt hat. Damals haben wir hier unsere Trekkingreise gestartet und wurden gleich am ersten Abend von einer Schule Grindwale begrüßt. Heute sehen wir jedoch keine Wale. Dafür lassen wir den Tag mit Grillen und Bierchen ausklingen. Die Krabbenbeine überlässt Elke nach dem ersten Bissen allerdings den Möwen. Laut dem Gesicht schien es furchtbar zu schmecken. Da bleib ich doch lieber bei meinen Pølser.
Am nächsten Morgen nehmen wir die Fähre nach Bodø. Und während ich zurück zu den Lofoten blicke, die langsam im Dunst der Wolken verschwinden, bin ich fast ein wenig froh, wieder in die norwegische Einsamkeit zurückzukehren. Auch wenn man abseits der großen Straßen schnell niemanden mehr begegnet, hat es für mich seinen Reiz verloren. Landschaftlich wunderschön, keine Frage, aber leider, leider, leider hat es mit dem wilden, freien, unbändigen und einsamen Norwegen, wie ich es kenne und liebe, fast nichts mehr zu tun. Zum Glück ist dieses wunderbare Land groß genug, um das wilde Norwegen schnell wieder zu finden.
Weiter geht es nach Fjaerland.
Die ersten beiden Tage auf den Lofoten könnt ihr hier nachlesen: Zwischen Wohnmobilen und unbändiger Natur
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