Es ist kurz vor 10 Uhr und wir warten am vereinbarten Treffpunkt auf unsere Whale Watching Tour. Die blaue Stunde liegt fortwährend über der verschneiten Landschaft. Vom Hafen aus schauen wir hinüber zum Fjellheisen und der Eismeerkathedrale. Von hier sieht es aus, wie in einem Wintermärchen. Orangene, warme Lichter scheinen aus den kleinen Häusern, die still im Schnee liegen. Der Fjord liegt ruhig vor uns und wir freuen uns schon auf die Waltour. Doch die Minuten vergehen und niemand kommt.
Gerade als ich die Telefonnummer des Anbieters in mein Handy eingebe, werden wir gefragt, welche Tour wir gebucht haben. Dann kommt die große Enttäuschung – die Wale befinden sich derzeit 4h von Tromso entfernt. Die Tour ist gestrichen. Erstmal wissen wir gar nichts mit uns anzufangen. Wale und Tromsø im Winter waren für uns eine sichere Sache und so scheinen wir so betrübt auszusehen, dass uns Kristina von Polar Adventures spontan einlädt, sie mit auf ihre Sightseeing Tour zu begleiten. Wir taten ihr wohl so leid, dass sie uns kurzerhand in ihren Minibus schiebt, um uns den Tag doch noch zu verschönern.
Zu siebt geht es also nun mit Guide Kristina und Fahrerin Sarah (Zara) in die verschneite Landschaft. Unser erster Stop ist auf der kleinen Insel Håkøya, wo ein altes deutsches Kriegsschiff aus dem 2. Weltkrieg noch halb aus dem Wasser schaut. Meine Füße versinken tief im Schnee als ich Richtung Fjord laufe. Über uns zieht ein Seeadler seine Bahnen. Am Horizont kann man erahnen, wo die Sonne gerade steht. Sie geht während der Polarnächte nicht auf und erleuchtet dennoch die wenigen Wolken am Himmel. Das Licht leuchtet bläulich und obwohl man Kälte damit assoziiert, fühle ich mich richtig wohl hier. Und noch dazu gibt es heiße Schokolade und Kaffee.
Weiter geht es zu einem kleinen Toilettenstop in Eidkjosen. Wir befinden uns auf der Insel Kvaløya und folgen der Straße entlang des Kaldfjordes bis wir am nächsten Aussichtspunkt ankommen.
Ein atemberaubender Blick über den Ersfjord
Wir stapfen ein paar Meter durch den Schnee bis sich uns hinter dem nächsten Hügel der Blick auf den Ersfjord öffnet – und was für ein Ausblick! Der tiefblaue Fjord erstreckt sich bis zum Meer. Er ist umhüllt von schneebedeckten Bergen, die ihn perfekt in die Landschaft einpassen. Und um der Schönheit die Krone aufzusetzen, thront knapp über den Bergen der goldgelbe Halbmond. Wir können uns gar nicht satt sehen und so verweilen wir einen Moment in Stille, um die Energie, die von diesem Anblick ausgeht, in uns aufzusaugen. Mit dem Minibus geht es weiter Richtung Grøtfjord. Doch zunächst müssen wir noch ein Auto aus dem Graben befreien. Der arme Kerl ist auf glatter Straße in den Schnee gerutscht, hat sich festgefahren und kann weder englisch noch norwegisch. Aber alle packen mit an und nach etwa 10 Minuten, einem Abschleppseil und ein paar kräftigen Schüben können wir ihn zurück auf die Straße bringen. Rettung geglückt. Ein paar Kilometer weiter stehen Rentiere am Straßenrand und fressen in aller Gemütlichkeit Moos.
Als wir den Grøtfjord erreichen, gibt es zunächst noch einen Fotostop mit einem wunderschönen Panorama. Der Halbmond steht nun knapp über dem Horizont. Unten am Fjord stehen ein paar Häuschen, fast schon vereinsamt, in der unwirklichen Landschaft. Unser Ziel ist der Strand des kleinen Dorfes Grøtfjord. Hier gibt es für jeden erstmal einen Thermoanzug. Gott sei Dank, denn der Wind pfeift vom Landesinneren unaufhörlich auf das Meer hinaus. Während ich noch einmal den Strand für ein paar Fotos entlanglaufe, wird bereits das Feuer angeheizt. Es gibt Käsewiener und Marshmallows!
Aufwärmen am Lagerfeuer mit Wiener und Marshmallows
Während das wenige Tageslicht langsam Platz für die Dunkelheit macht, sitzen wir gesellig am Lagerfeuer – lachen, genießen, essen. So allmählich vergessen wir unsere Trauer um das ausgefallene Wal-Abenteuer. Immerhin ist es für uns ein weiterer Grund, Tromsø im Winter noch einmal zu besuchen. Das Feuer beugt sich langsam der Kälte und dem Wind. Und während ich den letzten Funken dabei zusehe, wie sie über den Strand getragen werden, versuche ich die Eindrücke des Tages in Worte zu fassen. Aber am Ende muss man es einfach selbst gesehen haben, um dieses Gefühl in all seiner Schönheit wirklich erfassen zu können.
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