Hordaland Norwegen

Buarbreen – Über Brücken und Seile

Die Gletscherzunge windet sich zwischen den Bergen hindurch. Ihr kühles Blau wirkt fast ein wenig bedrohlich. Ab und zu löst sich ein wenig Eis und Schnee und schlittert den Hang hinunter. Von hier sieht es aus wie ein Wasserfall. Kaum zu glauben, dass diese imposante Gletscherzunge nur ein winziger Teil dessen ist, was sich über den gesamten Nationalpark ausdehnt – der Folgefonnabreen. Mit 214 km² ist er der drittgrößte Gletscher Norwegens. Die Größe ist kaum zu begreifen, wenn man bedenkt, wie klein man sich schon gegenüber dieses Gletscherarmes fühlt.

Mit dem Auto fahren wir kurz hinter Odda zunächst Richtung Roldal und dann auf eine kleine Straße nach Buer. Am Parkplatz vor den Höfen geht es zu Fuß weiter durch das Buardalen. Der Start ist wirklich sehr gemächlich, doch im Laufe der Zeit entwickelt sich die Wanderung zu einer meiner liebsten Touren, die ich bisher gelaufen bin.

Der Fluss Buarelvi, gespeist vom Gletscher, schnellt das Tal herab. Schafe stehen am Wegesrand und fressen völlig ungestört Gras. Anscheinend haben sie sich schon an die Wanderer gewöhnt, die hier jeden Tag vorbeikommen. Der Weg führt nach ein paar 100 Metern in den Wald hinein und somit ins Abenteuer. Die kleinen Wasserarme, auf der Suche nach der großen Schwester, machen den Boden ganz matschig. Dort, wo sich schon ein paar von ihnen vereint haben, liegen Holzbretter. Ich weiß nicht recht, wozu diese gut sein sollen. Sobald man darauf tritt, sinken sie in den Waldboden ein. Es geht stetig, jedoch nicht steil bergauf und die Wasserarme werden immer größer, die Bretter auch. Kleine, zerfallene Holzbrücken liegen nun lieblos über den hinabfallenden Wassermassen. Nicht gerade vertrauenserweckend. Mit winzigen, schnellen Schritten überqueren wir die Brücken. Zwischendurch liegen sogar schon wesentlich stabilere Eisenbrücken. Und das Highlight ist die Hängebrücke – sie hat sogar ein Geländer. Spätestens ab hier weiß man, dass der Weg zum Gletscher wirklich abenteuerlich wird. Türkise Nylonseile hängen an den Felsen hinab. Ich bin froh, dass es nicht regnet. Wahrscheinlich hätten sich die Felsoberflächen zu klitschigen Schmierplatten entwickelt und ein Begehen unmöglich gemacht. Es hängen zwar einige Wolken über uns, jedoch kommt das einzige Wasser nur rechts und links die Berge hinunter gelaufen.

Einige Seile hängen nur zur Deko, andere muss man schon benutzen, um die massiven Felswände nach oben zu klettern. Und an einer dieser Wände war dann Schluss – zumindest für Mutti. Während andere Wanderer sich eher unglücklich am Hochklettern versuchen und Papa immer mehr auf sie einredet, ändert sich die Gesichtsfarbe von rot zu weiß und der Kopf schüttelt in einer Tour.

Okay, dann gehen wir ab hier nur noch zu zweit weiter. Wir erklimmen die Felswand und noch eine und noch eine bis sich der Weg schmal und steil nach oben schlängelt. Noch einmal alle Energie sammeln und dann erreichen wir endlich den Gletscher.

Von zwei Seiten streckt er uns seine Arme entgegen und leuchtet dabei in einem unfassbar schönem Blau. Direkt vor uns sammelt sich das abfließende Wasser zu einem strömenden Fluss. Hier ist nun auch für uns Stopp! Weitergehen nur mit Führung erlaubt. Mittlerweile gibt es leider kaum noch Gletscher, die man so richtig berühren kann, da sie im Laufe der Zeit so wahnsinnig schnell geschmolzen sind. Auch dieser soll vor einigen Jahrzehnten noch bis zu den Höfen gereicht haben. Unvorstellbar. Aber selbst von hier wirkt er einfach nur imposant und der spannende Weg zaubert mir unentwegt ein Lächeln ins Gesicht. Als wäre mein Mund in dieser Form festgefroren.

Wir wollen Mutti nicht so lange warten lassen und beschließen nach ein paar Fotos den Rückweg anzutreten. Doch siehe da, wer plötzlich hinter einem Felsen hervorschaut. Die Mutti! Völlig fertig und glücklich zugleich kommt sie uns entgegengelaufen. Der Popes matschgetränkt, das Kopftuch triefnass, aber geschafft. Ganz alleine. Wir sind stolz und drücken sie ganz freudig, dass sie ihre Angst überwinden konnte! Etwas windgeschützt und mit gutem Blick auf den Gletscher gönnen wir uns nun doch eine etwas längere Pause und genießen alle still grinsend die Aussicht. Zur anderen Seite kann man über das ganze Buardalen bis zum grün schillernden Sandvevatnet schauen.

Die Wanderung zum Buarbreen ist unvergesslich

Der Rückweg vergeht viel zu schnell und am Liebsten würde ich alles gleich nochmal ablaufen. Ein absoluter Tipp für alle, die auf der Suche nach einer eher außergewöhnlichen Wanderung sind.


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